200 Meter Straße im Niemandsland
Der längste und schwerste Zuge der Welt
Eisenerzzug

Der etwas andere Grenzübertritt von Marokko nach Mauretanien

Am Ende des Restes, der vor Ewigkeiten asphaltierten Straße, taucht das Häuschen des ersten Postens auf. Endlich haben wir das minenverseuchte Niemandsland hinter uns gebracht! Der dunkelhäutige Grenzer mit den eleganten Gesichtszügen fasziniert uns vom ersten Moment an. Ausgesprochen höflich begrüßt er uns, um anschließend unsere Daten feinsäuberlich in ein großes Buch einzutragen.

»Ihr findet auch ohne Führer in die Stadt«, gibt er uns zum Abschied einen Tipp mit auf den Weg. »Folgt einfach der Straße und dann der Piste!«

Gisi steigt in unseren Ford Transit, ich bin leider nicht schnell genug. Ein paar Gestalten fangen mich vor der Fahrertüre ab.

»Monsieur sie brauchen mich, sonst finden sie nie den Weg durch die Wüste nach Nouâdhibou!«, erklärt mir gleich der Erste von ihnen.

»Nein danke!«

 

 

»Sie werden verdursten«, trägt ein bärtiger Kollege besonders dick auf.

»Wir haben mehr Wasser, als ein Kamel tragen kann«, antworte ich herzhaft lachend, während ich in unseren Bus flüchte.

Doch die Grenzformalitäten sind noch lange nicht zu Ende. Der nächste Posten befindet sich ein paar hundert Meter weiter in einer winzigen Papphütte, die mich an meine stabil grazilen Papiermascheebauten der Kindheit erinnert. Ein gelangweilter Beamter verlangt 110 Euro für unsere Visa, von denen er sich ungeniert einiges einsackt. Da wir vom Niemandsland noch immer psychisch angeschlagen sind, kommt kein Mucks über unsere Lippen.

Wir fahren weiter und übersehen in unserem Ärger die vergammelte, links liegende Zollhüte. Autsch! Damit sind wir ein gefundenes Fressen. Der beleibte Zöllner, ein Hüne von einem Mann, ruft uns hysterisch kreischend zurück.

»Das wird teuer!«, sagt er mit gestrengem Gesichtsausdruck.

Wir grinsen treuherzig ? bis heute waren die Beamten doch immer so nett.

»Tut uns leid, steht ja nichts drauf auf ihrer Hütte!«, versucht ihm Gisi den Wind aus den Segeln zu nehmen.

»Das wird sehr teuer«, wiederholt der beleibte Riese, der unsere Unerfahrenheit förmlich zu riechen scheint.

Woraufhin er sich der Uhrzeit und islamischen Religion entsprechend an den Straßenrand walzt, um zu beten.

»Er bittet wohl Allah um Verzeihung, damit er uns gleich ausnehmen kann«, bemerkt Gisi bitter.

Zwanzig Minuten später rücken wir leere Batterien, ein billiges Parfum und je zehn Euro Stempelgebühr heraus, die sich der korrupte Zöllner zufrieden grinsend einsteckt.

Auf der Weiterfahrt kochen wir vor Wut! Wir wissen, dass hier in Mauretanien viele Straßensperren auf uns lauern werden. Wir dürfen nie wieder zahlen, sonst sind wir in jedem Land ein zusätzliches Monatsbudget für Schmiergeldzahlungen los. In einem Afrikaführer steht bezüglich der berühmten Oasenstadt Chinguetti: Verkehrsgebühr muss bezahlt werden. Meldung bei der Polizei erforderlich! Dabei ist Gebühr ein schönfärbendes Wort für Schmiergeld.

»Ich zahle nie wieder!«, verkünde ich ernst. »Wir werden uns auch nur melden, wenn wir dazu aufgefordert werden. Wäre doch idiotisch, sich auch noch freiwillig zum Zahlen anzustellen.«

»Das war Lehrgeld«, ergänzt Gisi. »Jetzt wissen wir, wie der Hase läuft. In Zukunft sitzen wir so etwas aus und rücken die Kohle nur mehr unter Gewaltandrohung heraus.«

Ich lache grimmig.

»Die müssen schon mit einer entsicherten Kalasch...«

Unsere Grundsatzdiskussion wird durch donnerndes Grollen unterbrochen. Nur wenige hundert Meter neben der Straße rattert der längste Zug der Welt in gemächlichem Schritttempo an uns vorbei. Vorne ziehen drei Loks und hinten schieben zwei weitere diesen meist drei Kilometer langen Eisenlindwurm, bestehend aus rund 200 Waggons beladen mit Eisenerz, LKWs und einer Extragarnitur für Passagiere. Dieser auch zugleich schwerste Zug der Welt versorgt außerdem die Stadt Nouâdhibou mit Wasser aus Quellen an der Bahnlinie.