ZAR: Operationstrakt von Baboua
Untersuchung im Labor
Die Kinderstation von Baboua
Leistenbruchoperation im Buschspital
Frauen beim Plausch
Ziegen warten vor der Ordination

Das Buschspital von Baboua in der Zentralafrikanischen Republik

(...) Während ich so vor mich hingrüble, betritt ein schlanker blonder Mann, mit einem sympathisch spitzbübischen Gesicht, das Haus unserer Gastgeber in der evangelischen Mission. Klaus, der aus Schärding in Oberösterreich stammende Missionsarzt, wirkt vom ersten Moment an wie ein Suchender auf mich. Er freut sich endlich wieder Dialekt sprechen zu können und lädt uns ein, bei ihm und seiner Frau Eva, die im achten Monat schwanger ist, die Nacht verbringen.

 

Wir fahren am nächsten Tag mit Klaus am Steuer auf der Ladefläche seines Pickups über eine lehmige Schlaglochpiste. Es tauchen einige armselige Gebäude auf ? das Buschspital von Baboua. Unser Gastgeber führt uns über das Gelände. Vor dem Küchengebäude brutzelt in riesigen Kesseln das Mittagessen. Ziegen und Hunde sind überall, da keine Umzäunung existiert. Die Familien der Kranken aus dem Busch lagern auf dem Gelände. Vor dem Operationstrakt sitzt eine traurige Frau mit einem blumig grünen Kleid und einem dazu passenden gelben Tuch um den Kopf geschlungen. Ein paar Meter neben ihr lehnt ein junger Bursche an der dunkelgrünen Wand des bestgepflegten Gebäudes der Krankeneinrichtung. Er scheint in eine andere Welt versunken. Wir sehen auch einige Frauen mit einem kleinen Jungen, die ebenfalls kein Wort sprechen. Die zu ihnen gehörenden Männer stehen und sitzen schweigend an eine Säule gelehnt. Wenn die Menschen hier lange warten müssen, scheinen sie in eine Art energiesparende Starre zu verfallen. Warten ist eine eigene Kunst, die ich als Europäer wohl nie so beherrschen werde. Warten, bis es sich wieder lohnt, seine Energie zu aktivieren. Warten gehört hier zum Leben einfach dazu. Zeit spielt dabei keine Rolle, die Zentralafrikaner empfinden sie auch ganz anders als wir von der Uhr beherrschten Europäer. Doch nicht immer zahlt es sich aus in diese Art zeitlose Trance zu fallen ? dann wird lebhaft diskutiert und getratscht.

Drei Frauen plaudern am Boden sitzend vor dem Labor, da sie auf Ergebnisse von ihren Verwandten warten. Drinnen gibt es ein altes Mikroskop und einen noch älteren Kühlschrank aus den fünfziger Jahren, um die Proben zu kühlen.

Klaus muss hier mit minimalen Mitteln arbeiten, da sich die Leute selbst die einfachsten Behandlungen schwer leisten können. Verschärfend kommt hinzu, dass sich das Spital mit dem Verkauf von Medikamenten erhalten muss ? ein Teufelskreis. Gratis Aidsmedikamente zu verteilen, wie es die katholische Mission praktiziert, ist gut gemeint, scheint jedoch auch nicht der richtige Weg zu sein. Die Medikamente werden am Schwarzmarkt weiterverkauft. Klaus ist inzwischen zum Schluss gekommen, dass eine Behandlung zumindest einen symbolisch leistbaren Betrag ausmachen sollte. Er arbeitet bereits sehr erfolgreich mit Homöopathie, die für die Leute erschwinglich ist. Bei schwer verletzten Patienten funktioniert dies natürlich nicht. Zuerst müssen die Operationshandschuhe, Infusionen, etc. gekauft werden.

»Oft verblutet mir in der Zwischenzeit der Patient. Das ist hier traurige Alltagsrealität. Anfangs habe ich oft aus eigener Tasche bezahlt. Auf Dauer würde ich damit jedoch die Strukturen der Buschklinik zerstören.«, erklärt uns Klaus seine problematische Situation.

Es mangelt im Krankenhaus rundherum an der Ausstattung. Der Gynäkologenstuhl sieht aus wie aus dem 19. Jahrhundert. Viele überlebenswichtige Untersuchungen können nicht getätigt werden. Autsch!

»Es gibt im Spital auch keine einzige Toilette!«, erfahren wir von Klaus.

»Was machst du?«

»Ich muss genauso in den Busch. Ich versuche seit meiner Ankunft Gelder für den Bau von sanitären Anlagen aufzutreiben.«

Dass die Leute, wie in vielen afrikanischen Dörfern üblich, zumindest eine Toilettengrube selbst ausheben könnten, steht auf einem anderen Blatt.

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit dem malischen Arzt Tinariwen bei einer Tasse Tee vor wenigen Monaten.

»Wie sinnvoll ist es eine Krankenstation vom Fundament auf zu bauen, wenn das die Männer eines Dorfes mit Materialien aus der Umgebung selbst tun könnten? Wäre es nicht wesentlich sinnvoller mit dem Geld, dass ansonsten für den Bau und die Ausstattung eines kleinen Spitales verwendet wird, gleich mehrere von uns selbst gebaute Einrichtungen auszurüsten? Überlasst das Bauen uns. Wir benötigen jedoch Ausrüstung und Wissen aus dem Ausland.«, stellte Tinariwen seine rhetorischen Fragen, die er auch gleich selbst beantwortete.

 

 

Die Praxis von Klaus liegt in einem eigenen kleinen Gebäude, dass von Ziegen regelrecht belagert wird.

»Es mangelt sogar am Geld für einen einfachen Zaun, der die Tiere vom Gelände fernhält.«, klagt der österreichische Arzt.

»Es ist doch sämtliches Baumaterial im umgebenden Busch zu finden. Selbst in der Halbwüste um den Tschadsee haben die Leute ihre Tierzäune selbst gebaut. Du musst nur jemanden finden, der das Bauvorhaben koordiniert.«, antwortet Gisi, während wir uns in der kargen Praxis umsehen.

Klaus lässt uns mit dem Einverständnis seines Patienten Josua bei der Untersuchung zusehen. Dabei fungiert sein Assistent Louis als Übersetzter, da Klaus erst am Erlernen von Sango, der hier ortsüblichen Sprache, ist. Er klopft den Mann ab, fragt ihn immer wieder, wie es sich anfühlt, hört seinen Puls, tastet nach der Leber und der Milz. Nebenbei fragt er Josua über seine bisherigen Erkrankungen aus.

»Ich hatte so oft Malaria, dass ich gar nicht mehr weiß, wie oft.«, übersetzt Louis die Antwort des Patienten, der gleich weitererzählt, »seit ein paar Monaten habe ich immer wieder Durchfall und fühle mich so schwach.«

Ich bin beeindruckt, wie Klaus auch das Umfeld des Patienten, samt sämtlicher Vorerkrankungen, in seine Untersuchung mit einbezieht. Scheinbar nebensächliche Beschwerden sind für Klaus ein wichtiger Hinweis zur wahren Ursache. Er verabreicht seinem Patienten zwei homöopathische Medikamente und bittet ihn in drei Tagen wiederzukommen.

»Ich betrachte den Menschen als Ganzes.«, verrät uns Klaus sein erklärtes Kredo nach der Untersuchung. (...)