Congoflussfahrt III: Der Congo schluckt die Erinnerungen

Vor über neun Monaten sind wir ? Gisela und Rüdiger ? mit unserem umgebauten Ford Transit, den wir Hidalgo getauft haben, von Österreich beginnend über Westafrika bis in die Zentralafrikanische Republik gefahren.

Wir befinden uns seit fast zwei Wochen am Grenzfluss zwischen den beiden Kongos ? der RK, der Republik Kongo und der DRK, der Demokratischen Republik Kongo.

 

Das abgehalfterte Schubschiff Dauphin, ein Seelenverkäufer, tastet sich monoton stampfend mit zwei von Rost zerfressenen Stahlkähnen durch den tropischen Urwald. Beladen mit 500 Rindern, rund vierzig Passagieren und unserem Ford Transit-Bus. Heute wird der Ubangui-Fluss in den Congo münden. Der wasserreichste Strom Afrikas wird uns schließlich nach Brazzaville und Kinshasa, die Hauptstädte der beiden Kongos bringen.

 

Gegen Mittag kommen wir an den Zusammenfluss von Ubangui und Congo. Schlagartig befinden wir uns auf dem wasserreichsten Strom Afrikas mit seinen unzähligen verwirrenden Nebenarmen. Der sagenhafte Congo, die Lebensader Zentralafrikas, löst nun den Ubangui bis Brazzaville als Grenzfluss zwischen den beiden Kongos ab.

»Der Congo ist der Fluss, der alle anderen schluckt.«, erfahre ich von Jean-Pierre, »er schluckt auch die Erinnerungen.«

Der Tanz der Pirogen scheint kein Ende zu nehmen. Die verderblichen Waren stapeln sich überall an Deck. Ein paar Kongolesen zimmern bei den Nomaden einen kleinen Pferch für Jean-Pierre. Sobald er die Schweine hineinsteckt, hebt lautstarkes Geschrei an.

»Bist du verrückt? Wir sind Moslems!«

Eilig lässt Jean-Pierre den Verschlag versetzen. Fünf Schweine grunzen eine Stunde später vergnügt bei der Toilette hinter Hidalgo.

»Wer sich halbwegs auskennt, kann im Kongo leicht Geld machen!«, erklärt unser gewiefter Freund.

»Den Korb für die Trockenfische, den ich um 500 CFA eingekauft habe, kann ich um 20 000 CFA in Brazza verkaufen. Bananenstauden kaufe ich um 500 CFA ein und verkaufe sie um das Zehnfache! So leicht ist das hier im Kongo!«

 

Elise, die scheue Frau von Kapitän Henri, kauft ebenfalls in rauen Mengen ein. Von einem Fischer hat die grazile Schönheit einen rund eindreiviertel Meter langen Panzerfisch erstanden. Wie Jeanne ein paar Stunden zuvor bei ihrem Exemplar, beginnt Elise dem urzeitlichen Wasserbewohner bei lebendigem Leib die Flossen abzuhacken. Ich will mir das kein zweites Mal ansehen. Mitleid mit der Kreatur scheint hier ein Fremdwort zu sein.

»Elise, bitte lass? mich den Fisch töten!«, rufe ich ihr zu.

Erst nach drei kräftigen Hieben mit der Machete schaffe ich es, seine Panzerung zu durchbrechen und ihn von seinen Leiden zu erlösen.

»Jetzt kannst du ihm die Flossen absäbeln!«

Elise sieht mich mit verständnislosen Augen an ? der Weiße benimmt sich manchmal schon sehr eigenartig.

Rundherum raucht und qualmt es aus den Räuchertonnen. Bald hängt der urtümliche Flussbewohner, neben madenbefallenem Trockenfisch, im beizenden Qualm. Rauchschwaden treiben uns die Tränen in die Augen. Hustenanfälle quälen uns in periodischen Abständen! Der ?Atem der Hölle? scheint jedoch keinen unserer Freunde auch nur im Entferntesten zu stören. Die Sonne geht unter! Qualmen ohne Unterlass. Es wird Nacht! Der Rauch beißt sich in unsere Lungen. Wir legen uns in Hidalgo schlafen! Gisis Lippen beginnen nach einiger Zeit zu kribbeln.

»Das ist die Tonne von Elise. Sie räuchert uns noch aus!«

Missmutig suche ich die Räucherkönigin in ihrer Kabine heim.

»Machst du bitte endlich das Feuer aus! Mir ist schon übel von dem Rauch.«

»Das geht nicht Rüdieh! Ich muss den Fisch über Nacht machen, sonst kann ich morgen keinen Neuen kaufen.«

Erst nach einigem Hin und Her sieht Elise ein, dass sie uns mit ihrer Qualmerei um die Ecke bringen kann.

 

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