Der letzte König von Schottland ? In den Fängen der Macht

The Last King of Scotland

Zwei afrikanische Unmenschen sind mir noch aus der Kindheit bekannt: Kaiser Bokassa aus der Zentralafrikanischen Republik und Idi Amin aus Uganda. Beides Scheusale von schier unglaublicher Grausamkeit. Ich kann mich noch an einen Zeitungsartikel erinnern, in dem behauptet wurde, Idi Amin Dada (= Papa) habe sogar Kinder gegessen. Ob Wahrheit oder überbordende Fantasie eines Journalisten ? ich hatte eine Nacht lang Albträume. Ein anderes ?Schreckenshighlight? waren die Schädel seiner Feinde, die er angeblich in einem Kühlschrank aufbewahrte ? diese Meldung kostete mich eine weitere Nacht.

 

Idi Amin Dadas Schreckensherrschaft beginnt 1971, unter großem Jubel und Freudentaumel seiner Untertanen, nach dem Stutz des Despoten Milton Obotes. Noch kennen sie nur das freundliche Gesicht ihres frischgebackenen, scheinbar volksnahen Präsidenten. Die Menschen lieben ihren Dada.

 

Der Film benutzt geschickt die Figur des fiktiven jungen schottischen Arztes Nicholas Garrigan, um uns ins Uganda der 70er Jahre zu entführen. Durch seine Augen sehen wir den ?Menschenfreund? im zunächst positiven Licht. Der Film verführt emotional nicht zu sperren, um einem später um so mehr zuzusetzen. Der blutjunge Arzt geht nach Afrika unter dem Deckmäntelchen der Entwicklungshilfe. In Wahrheit entflieht er seiner Heimat nach abgeschlossenem Studium, um nicht in der Praxis seines despotischen Vaters arbeiten zu müssen. Uganda sieht er als abenteuerliche und sexuelle Spielwiese. Nach einem Unfall hilft Nicholas dem Präsidenten - beeindruckt diesen durch seinen wahnwitzigen Mut.

 

Der junge Medikus avanciert zum Leibarzt Idi Amains ? sieht in ihm eine Art Vaterersatz. Die zunächst positive Wohlfühlstimmung des Films bekommt nach und nach Kratzer. Langsam beginnt sich der facettenreiche Charakter Amins zu entfalten. Nicholas übersieht blauäugig sämtliche Warnsignale des Dadas, verdrängt sie. Aufblitzt das Grauen! Zunächst erahnen wir nur in kurzen Momenten, Gesten und Blicken die tiefen Abgründe in der Seele des Diktators. Forest Whitaker hält die Fassade geschickt aufrecht, um den Zuschauer später, umso brutaler in den Horror mitreißen zu können.

 

Mit der Zeit beginnen sich Nicholas Augen zu öffnen. Er scheint zu ertrinken. Einprägsam dazu die filmische Umsetzung: Der naive Arzt treibt bei strömenden Regen am Rücken in einem Pool. Noch will er die Gräuel nicht wahrhaben, findet Entschuldigungen für seinen väterlichen Freund, der ihm so viel Macht zuschanzt und ihn mit Geschenken bei Laune hält.

 

Der Film ist abwechselnd kurz gewaltbeherrscht, dann folgt wieder eine Zeitlang Fassade, mit fetziger afrikanischer Musik und einem charmanten Amin ? ein richtiges Kuschelmonster! Doch die entspannenden Szenen lassen uns, bei den subtilen Untertönen, nicht mehr in herrlichen Erinnerungen an Afrika schwelgen ? zu drastisch haben wir auch die negativen Seiten von Terrorregimen am eigenen Leib im Kongo erfahren. Das Grauen bemächtigt sich unaufhaltsam der Kinogeher. Immer tiefer und tiefer reißt der gewaltsame Strudel Idi Amins den ihm verfallenen Arzt, bis er begreift, auf wen er sich eingelassen hat ? den abgrundtief bösen Hexer (Teufel) in Menschengestalt. Schwärmer schwirren in einer Szene am Nachthimmel ? Symbol für das Chaos in Nicholas Kopf. Genial! Jetzt beginnt der Film unbarmherzig zu werden. Schluss mit der schönen neuen Afrikawelt! Das Grauen, das Grauen bemächtigt sich des Kinosaals.

Warum der letzte König von Schottland? Der Film gibt die skurrile Antwort preis.

 

Einzig stört mich beim Last King of Scotland die sehr weiße Sichtweise. Der Film ist in meinen Augen auf ein rein westliches Publikum zugeschnitten - durch amerikanische Dokumentarfilmeraugen mit einem Schuss Uganda gesehen, wo er auch gedreht wurde. Vielleicht soviel zur Entschuldigung: Der Film ist zwar Nummer 1 in Uganda, doch soviel ich weiß, gibt es in Kampala, der Hauptstadt Ugandas nur ein Kino und auch in Niamey, der Hauptstadt des Niger, haben wir bei unserer Reise, dass einzige Kino abgerissen vorgefunden. Ergo zu wenig Publikum am schwarzen Kontinent, um ein Hollywoodbudget zu rechtfertigen. Trotzdem hätte eine afrikanische Identifikationsfigur dem Film sicher nicht geschadet. Genauso wäre es schön gewesen, den politischen Hintergründen ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

 

Fazit: Alles in allem ist Der letzte König von Schottland ein sehr sehenswerter Film! Einer der unter die Haut geht.

Forest Whitaker hat zu Recht den Oskar für die Hauptrolle erhalten ? einfach grandios, wie er Amin darstellt! Ob ihn seine Zugehörigkeit zu Scientology die Abgründe so glaubhaft darstellen lässt?

 

Bis 1979 dauerte die Schreckensherrschaft Idi Amin Dadas. Circa 300 000 ermordete Menschen, die Wirtschaft vollkommen am Boden sind die traurige Bilanz. 2003 verstarb der Unmensch im saudiarabischen Exil im Alter von circa 80 Jahren.

 

Drei weitere Filme mit afrikanischen Themen:

? Daratt ? Trockenzeit ? ? ein klassisches, dramatisches Epos über Sinn und Unsinn von Blutrache im Tschad startet am 23.3.2007 in sehr wenigen Kinos - also schnell sein! (siehe dazu auch den Kurzbericht hier in Reiseberichte)

 

? Goodbye Bafana ? startet am 12. April ? Portrait vom Gefängniswärter Nelson Mandelas

 

und

? Shooting Dogs (Beyond the Gates)? startet am 17. Mai ? Genozid in Kigali im Jahr 1994 in Ruanda