The Road to Guantanamo - Film

Eines vorab: The Road to Guantanamo von Michael Winterbottom (Ein mutiger Weg mit Angelina Jolie oder Code 46) ist ein filmischer Schlag in die Magengrube, ein Tritt in die männlichen Genitalien, eine wütende Anklage gegen einen Orwellschen (?) Albtraum. Ein dokumentarischer Spielfilm, in den Winterbottom geschickt Erzählungen der überlebenden echten ?Tipton Three? und Originalausschnitte aus der Medienberichterstattung montiert.

Amnesty International bezeichnete das amerikanische Gefangenenlager in Guantanamo als den »Gulag unserer Zeit« und rief damit wütende Reaktionen der US-Regierung hervor, um dann aufgrund des enormen Druckes bald einzulenken. Solche Vergleiche sind jedoch in meinen Augen immer problematisch. Wer sich den Film angesehen hat wird sich ein eigenes Urteil bilden können.

 

Die vier englischen Jugendlichen Asif, Monir, Ruhel und Shafiq sind zusammen in Tipton, GB aufgewachsen. 2001 findet Asifs Mutter für ihren Sohn in Pakistan eine Braut, die er auch bald besucht. Nach einigen Tagen ruft er seine Freunde an, damit sie zu seiner Hochzeit kommen. Die meisten von ihnen waren das letzte Mal vor über einem Jahrzehnt in Pakistan. Dementsprechend aufregend ist es für das Quartett das Land zu erkunden. Sie besuchen auch die Predigt eines Imans in einer Moschee und beschließen danach nach Afghanistan zu gehen, um zu Helfen. Doch was sie genau helfen wollen wird leider den gesamten Film nach nicht ganz klar. Humanitäre Hilfe oder sind sie auf Abenteuer aus? Sie scheinen es selbst nicht so genau zu wissen oder befindet sich das Motiv vielleicht in einer Grauzone?

Zusammen mit Asifs Cousin machen sie sich auf den Weg. Kurz vor der Grenze vergessen die Freunde den schwer an Durchfall erkrankten Asif, der seine Kumpel jedoch bald wieder findet. Durch eine Verkettung von unglücklichen Umständen landen die jungen Männer schließlich in Kunduz, der letzten Hochburg der Taliban. Bei der Flucht vor dem massiven amerikanischen Bombenhagel verliert die Gruppe Monir aus den Augen ? er wird nie wieder auftauchen. Die anderen werden gemeinsam mit Flüchtlingen und Talibankämpfern von der Nordallianz gefangen genommen.

 

Die Nordallianz verfrachtet sie in Gefangenenlager, wo sie bald verhört werden. Aus Angst verschweigen sie zunächst ihre britische Staatsbürgerschaft. Schließlich gibt Ruhel amerikanischen Vernehmungsoffizieren gegenüber zu Engländer zu sein.

            »Als Brite glaubt man, die Amerikaner sind schon okay.«, meint der echte Ruhel in einem zwischengeschnittenen Interviewausschnitt.

            Wenig später sitzen Asif und Shafiq mit Säcken und Klebeband samt Nummern über den Köpfen am Luftwaffenstützpunkt von Kandahar in Afganistan ? Ruhel folgt später. Eine Transportmaschine bringt sie gemeinsam mit anderen nach Luft ringenden Menschen in ein Camp in dem sie aufs brutalste Verhört werden.

Tage danach sitzen sie mit schwarzen Hauben über den Köpfen, Brillen, die ihnen jegliche Sicht rauben, gelben Kopfhörern, Ketten um Hand und Fußgelenke und wie Tiere angeleint auf einem Rollfeld in Afghanistan ? bereit zur Verfrachtung in ihre Käfige im Camp X-Ray auf Cuba. Die Bilder erinnern mich fatal an George Orwells Buch 1984, dabei geht es den Gefangenen derzeit noch verhältnismäßig gut, die schlimmen Torturen folgen erst ...

Monate später übersiedeln sie ins Camp Delta JFT Guantanamo mit dem in den Ohren der Gefangenen wohl höhnischen dröhnenden Motto: ?Honor bound to defend Freedom?.

 

Es kommt einem beinahe so vor, als hätten sich die amerikanischen Soldaten aus Camp X-Ray und aus Camp Delta den Antifaschismusfilm: DIE WELLE, den wir in der Schule als erzieherische Abschreckung gesehen haben, als Vorbild genommen. Sie scheinen die übelsten Typen von dort zu imitieren und noch zu übertreffen versuchen. Einfach unglaublich, dass eine westliche Demokratie solch eklatante Menschenrechstverletzungen zulässt. Traurig, dass die Weltgemeinschaft nicht endlich genügend Druck auf die USA ausüben kann, damit sie die Lager, die jeglicher Menschlichkeit spotten, endlich schließen.


Es stellen sich auch unweigerlich die folgenden Fragen: Welche Reaktionen provoziert es so seine Feinde und auch Unschuldige zu behandeln? Werden so neue Feinde produziert? Und wenn die Antwort JA lautet, vielleicht sogar mit Absicht?
Salman Rushdie zitiert in seinem Artikel: Guantanamo und die ?Tatsachen? den kubanischen Dichter José Martí:

»Jeder, der die heilige Freiheit unserer Feinde verletzt, ist zu tadeln, umso mehr, wenn das im Namen der Freiheit geschieht.« und, »Dolche die im Namen der Freiheit zustechen, treffen die Freiheit ins Herz.«

Der Film trifft den Zuschauer ins Herz, wenngleich er auch seine Schwächen hat. Es war für mich beispielsweise erst nach geraumer Zeit möglich die Charaktere auseinander zu halten. Auf der anderen Seite gibt der Film dem Horror von Guantanamo ein Gesicht, klagt an, zeigt auf und macht betroffen. Obwohl ich schon aus unzähligen Presse- und Fernsehberichten wusste und ahnte, wie es auf Guantanamo ungefähr zugehen muss, war der Film ein Schock! Der Schrecken sitzt bei mir umso tiefer, da ich in den USA während meiner Kindheit und auch in späteren Jahren alles zusammen rund acht Monate verbracht habe. Ich habe dieses Land in dieser Zeit samt seinen Bewohnern sehr lieb gewonnen und bin überzeugt, dass viele US-Bürger nicht annähernd wissen, was im Namen des Krieges gegen den Terror angerichtet wird. »Dolche die im Namen der Freiheit zustechen, treffen die Freiheit ins Herz.« - diesen Satz von José Martí kann man dazu nicht oft genug zitieren.

 

Vor zwei Jahren habe ich noch in Afrika unter dem Eindruck der Diskussion um ein ?bisschen foltern? einen Satz geschrieben, der mir auch zum Abschluss für diesen Filmbericht geeignet erscheint:

Jegliche Art der physischen oder psychischen Gewaltanwendung ist Folter (sic!) und damit von einer angeblich aufgeklärten und humanitären Gesellschaft zu verurteilen. Ansonsten wandelt sie sich langsam zu dem, was sie eigentlich zu bekämpfen vorgibt:

Zu einer unfreien Terror-Gesellschaft, in der Menschenrechte und Freiheit unmerklich langsam eliminiert werden!


Alle Bilder auf der linken Seite sind vom Film:

The Road to Guantanamo von Michael Winterbottom (Code 46, 9 Songs), Auszeichnung mit dem Silbernen Bären für Regie 2006


Den Film findest du bei Amazon als DVD:

www.amazon.de/Road-Guantanamo-Farhad-Harun/dp/B000LXGWTO/ref=pd_bbs_sr_1/028-0092494-2579722